Die Vergabe der Fußball WM nach Katar ist seit ihrer Bekanntgabe vor 10 Jahren höchst umstritten. Die Arbeitshilfe von Kirche und Sport der EKD ermöglicht eine differenzierte Annäherung an das Thema und stellt Materialien zur weiterarbeit in der Gemeinde bereit. Der Nachfolgende Beitrag, stammt von Eugen Eckert, Stadionpfarrer im Deutsche Bank Park, Frankfurt/M, und Referent der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für Kirche und Sport, i.R. Sie können finden diesen Beitrag und die Arbeitshilfe im Downloadbereich unserer Homepage (Bereich „Bildung und Jugendarbeit“) alternativ: klicken Sie einfach hier.
Am 2. Dezember 2010 gab der Weltfußballverband Fifa in Zürich bekannt, welches Land als Gastgeber für die Fußballweltmeisterschaft 2022 fungiert: Katar hatte sich gegen die Mitbewerbungen aus den USA, Südkorea, Japan und Australien durchgesetzt. Unmittelbar danach bereits begann eine Auseinandersetzung um die Frage, ob die Entscheidung durch gekaufte Stimmen gefallen sei. Ein Mitglied der australischen Delegation allerdings nahm als Whistleblowerin dieser Debatte die Wucht. Sie legte offen, wie alle Nationen vor der Vergabe versucht hatten, Stimmen zu kaufen.
Die Kritik an Katar war von Anfang an groß. Dass Amnesty International im Blick auf die Lage der Menschenrechte von einem „world cup of shame“ spricht, dass gleichgeschlechtlich lebende Menschen in Katar strafrechtlich verfolgt werden, auch die schwierigen klimatischen Bedingungen oder selbst die fehlende Fußballtradition im Land führten in der Summe zunächst zu Forderungen nach einer Neuausschreibung der WM und zu Boykottaufrufen, deren Intensität zunahm, je näher das Turnier rückte.
Es gibt aber auch eine andere Sicht auf das Turnier. So wird Sylvia Schenk, Juristin und deutsche Sportsprecherin von Transparency International, nicht müde darauf hinzuweisen, dass sich „in keinem Land der Welt so viel zum Guten gewendet hat wie in Katar“. In der Tat konnten die Gewerkschaften und Menschenrechtsorganisationen zu positiven Entwicklungen beitragen, von denen andere arabische Länder weit entfernt sind. Mindestlöhne wurden eingeführt, ausbleibende Lohnzahlungen unter Strafe gestellt, das Recht auf Kündigung für die Arbeiterinnen und Arbeitern durchgesetzt (Ende des Kafala-Systems). Dass Schlupflöcher blieben, ändert nichts an grundsätzlich positiven Entwicklungen. „Es gibt Fortschritte“, betont auch Amnesty-Mitarbeiterin Regina Spöttl im Nachrichtenportal Watson.de und fährt fort: „Mit einem Boykott würden diese um Jahre zurückgeworfen.“
Dass im Februar 2015 die WM in den Winter verlegt wurde, um der Sommerhitze in Katar zu entgehen, führte in den Kirchen nur zu vereinzelter Kritik. In einem Artikel auf evangelisch.de habe ich schon damals meine Haltung angekündigt: die Spiele nicht schauen und stattdessen Advent feiern zu wollen. Ein Weg, der allen Kritiker:innen offensteht.
Nachdem nun zwölf Jahre zwischen der Vergabe und dem Anpfiff der WM verstrichen sind, wird das Turnier am 20. November 2022 eröffnet. Und viele werden sich die Spiele ansehen – auch in unseren Kirchengemeinden.
Wenn das aber schon ist, wie es ist, sollten wir darin Chancen sehen: Parallel zum Turnier in unseren Adventsveranstaltungen etwa Fragen nach Menschenrechtskonzepten zu stellen – im Blick auf die Fifa, die Uefa, aber auch unsere Bundesligaklubs, oder nach Lieferketten zu fragen, also dem nachzugehen, unter welchen
Bedingungen unsere Kleidung wo hergestellt wird, oder zu fragen, wie im Sport und unseren Kirchengemeinden noch viel stärker Themen des Klimaschutzes aufgenommen werden können. 2024 ist Deutschland Gastgeberland für die Fußball-Europameisterschaft. Dann können wir als Kirchengemeinden im Zusammenspiel mit den Sportverbänden und Kommunen zeigen, ob wir etwas aus Katar gelernt haben.
Eugen Eckert