Die große Kraft, tragfähige Brücken zu bauen

Zweite Auflage, erstmals auch Buddhisten dabei, ein neuer Gastgeber und auch noch eine leibhaftige Ministerin als Gast: Gleich vier Religionen fanden zum 2. Interreligiösen Sportfest des Landesarbeitskreises Kirche und Sport (LAK) beim Fußball- und Ultimate-Frisbee-Turnier zueinander. Begegnungen mit großem Respekt, die in wirren politischen Zeiten ganz viel Hoffnung ausstrahlten. Von Klaus Vestewig mit Fotos von XXX


So sehen Sieger:innen aus – Die Teilnehmenden des 2. Interreligiösen Sportfestes

„Sport und Religion schaffen Gemeinschaft. Der Sport hilft, tragfähige Brücken zu bauen. Und am Ende zu verbindlichen Regeln zu finden, das lehrt uns der Sport“, sagte Petra Olschowski in ihrem Grußwort. Die baden-württembergische Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst war in Vertretung von Schirmherrin Theresa Schopper, der Landesministerin für Kultus, Jugend und Sport, auf das Gelände des Turnerbundes Bad Cannstatt (Gastgeber: FC Stuttgart-Cannstatt) gekommen. Dass der gesellschaftliche Zusammenhalt in letzter Zeit gefährdet sei und es extreme Übergriffe gebe, das beobachte sie mit großer Sorge, so die Wissenschafts-Ministerin.

Die politische Großwetterlage beschäftigte auch Andreas Felchle, den Präsidenten des Württembergischen Landessportbundes (WLSB), bei seiner Begrüßung. Die Gefahr sieht er überwiegend von rechts. Dass da z. B. zwischen Pass- und Bio-Deutschen unterschieden werde, sei „ekelerregend – Deutschland ist eine moderne Gesellschaft“. Der Sport aber könne leicht Grenzen überschreiten. „Im Nahen Osten sind alte Grundkonflikte wieder aufgebrochen. Dass Juden und Muslime hier bei unserem Turnier zusammen Sport treiben, ist wirklich stark – ein Zeichen des Friedens“, so Felchle, der auch Mitglied im Vorstand des LAK ist.

Zwei Jahre nach der Premiere des Interreligiösen Sportfestes in der Landessportschule Stuttgart-Ruit jagten diesmal neben muslimischen, jüdischen und christlichen Teilnehmern erstmals auch Buddhisten in den 21 Turnierspielen Fußball (erste Halbzeit) und Frisbeescheibe (zweite Halbzeit) nach – unter der souveränen wie freundlichen Regie von Turnierleiter Ahmed Birinci.

Premiere für Buddhisten

„Ich habe die Verbindung schon am Vormittag gespürt, dass alle Religionen nach den gleichen Zielen streben: nach Glück und Weltfrieden, auch wenn wir Glück und Leben und Tod unterschiedlich definieren“, stellte Hirotaka Kobayashi, auf dem Feld leistungsstark und unverwüstlich, hocherfreut fest. Das Turnier sei eine gute Gelegenheit, Vertrauen und Freundschaft gegenseitig auszubauen, so der Sinologie-Doktorand von der Universität Tübingen. Das Ziel des jungen Mannes: Beim nächsten Mal wolle man ein komplettes Team stellen und sich auch besser vorbereiten.

Umrahmt vom Trimum-Chor war das sechsstündige Turnier durch Gebete der vier Religionen eingeleitet worden – ein wirklich berührender Reigen von Wünschen und Segnungen. „Herr der Welten, vereinige ihre Mannschaften in wahrer Freundschaft und pflanze Liebe und Furcht in ihre Herzen. Und wenn es Dein Wille ist, dass sie verlieren, dann pflanze in ihr Herz die wahre Kraft, dies mit Liebe zu akzeptieren“, formulierte Shimon Motsa von der Israelischen Glaubensgemeinschaft Württembergs (IRGW).

Der multireligiöse Trimum Chor umrahmte die Gebete zu Beginn des Sportfestes

„Lass uns nicht nach der Schuld fragen“

Bemerkenswert auch das Gebet von Tuncay Dinckal für die muslimischen Geschwister: „Mach uns dankbar für den Frieden, den wir genießen dürfen. Lass Frieden einkehren, wo heute Tod regiert. Vereine unsere Herzen in Mitgefühl und lass uns nicht nach der Schuld fragen. Lass die Liebe weit reichen über Grenzen hinweg.“ Der Imam und Integrationsmanager bat auch um Kraft, im Sport Brücken zu bauen und gemeinsam für unser Land Verantwortung zu übernehmen.

Auch Eckart Schultz Berg, der Dekan aus Bad Cannstatt, dankte für die christlichen Geschwister für Freiheit und Frieden, in denen wir leben dürfen. Seine Segenswünsche: „Im Vielklang der Sprachen bist Du da. Im Lachen der Glücklichen bist Du da. Im stummen Schrei der Leidenden bist Du da. Wenn wir gemeinsam Sport treiben, bist Du da.“ Turnier-Cheforganisator und -Ideengeber Philipp Geißler erinnerte daran, dass Schultz Berg einen ersten Impuls für das heutige Interreligiöse Sportfest bereits 2017 gegeben hatte: mit einem Spiel Pfarrer/innen gegen Imame, Schiedsrichter ein Rabiner.

Für die buddhistische Gemeinde Ludwigsburg sprach Hirotaka Kobayashi. „Das ist ein Tag, um für Gutes zu verbinden. Den Weg des Dialogs und der gemeinsamen Entwicklung müssen wir weiterverfolgen.“ Es benötige große Kraft, den Frieden auf der Erde zu verwirklichen.

Ehrgeiz groß – Atmosphäre freundschaftlich

Kraft, Gespür für gute Kombinationen und Regelkunde – gerade beim Ultimate Frisbee – waren dann auf den beiden Spielfeldern gefragt. Beim Ultimate Frisbee, bei dem darum gerungen wird, die Scheibe in der gegnerischen Endzone zu fangen und so zu punkten, schienen Zusammenspiel und Regelkonformität besser ausgeprägt als bei der Premiere 2023. In dem eigentlich weitgehend körperlosen Spiel war der Ehrgeiz der Akteure durchaus zu erkennen, die Atmosphäre bei den Partien ohne Schiedsrichter wirkte aber sehr fair und freundschaftlich. Bei den Allstars, die sich erst zwei Tage vor Turnierbeginn vollständig gefunden hatten, spielten gleich drei Religionen im Mixed-Team zusammen. Auch Geißler und seine Ehefrau wirbelten mit. Nach Schluss der Partien bildeten die Teams einen fröhlichen Spielerkreis.

„Das ist so ein krasser Kontext zu der Welt“, sagte Geißler, Sportbeauftragter der Evangelischen Landeskirche Württemberg. Seine Anregung: „Multireligiöses sollte schon in der Grundschule vermittelt werden. Nicht im Sinne der Vermischung der Religionen und auch nicht als Konkurrenz, sondern einfach, um sich gegenseitig zu verstehen.“ Ähnlich sah es Yasemin Kurt-Cetin, die Geschäftsführerin der Gesellschaft für Dialog in Baden-Württemberg (GfD): „Wenn wir uns besser kennenlernen, könne wir Vorurteile abbauen. Wir stehen dafür, Begegnungen zu schaffen, um uns auszutauschen.“ Der Nahost-Konflikt habe Auswirkungen gehabt, Vorbehalte, die existieren, zu verstärken. Umso wichtiger seien Begegnungen von Mensch zu Mensch. Die GfD-Vertreterin fände es deswegen auch sinnvoll, die Idee des Interreligiösen Sportfesten auch in andere Regionen zu tragen.

Auch für Muhittin Soylu, Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft Baden-Württemberg (IGBW), ist das Verhältnis zwischen Juden und Moslems durch die kriegerischen Auseinandersetzungen schwieriger geworden: „Im Kleinen bleibt es auch nicht emotionslos. Empathie für andere zu schaffen, ist problematisch. Jeder bewegt sich in der eigenen Blase.“ Man leide mit den Menschen in Trümmern mit. Da entstehe ein Gefühl der Ohnmacht. „Es ist schwer zu sehen, wie kleine Kinder verhungern. Aber als gläubiger Mensch darf man nicht hoffnungslos sein“, betont Soylu.

Schwieriges politisches Umfeld

Für Lasse Müller, den Kapitän der Mannschaft Israelitischen Glaubensgemeinschaft/Makkabi Deutschland, ist die Situation des ständig anwachsenden Antisemitismus ebenfalls überaus schwierig. Er berichtet von Übergriffen auf israelische Sportler: „Da haben sich manche schon in der Kabine einschließen müssen. Und auf dem Spielfeld geht es mit Zurufen bis runter zum D-Jugend-Fußball.“ In Bezug auf Beschlüsse der israelischen Regierung spricht er von einer „Haftbarmachung“ von jüdischen Menschen in Deutschland. Hinsichtlich Antisemitismus sei der deutsche Sport aber insgesamt besser aufgestellt als früher. Und was den Zulauf an Mitgliedern zu Makkabi Deutschland betrifft, habe sich die Zahl seit dem 7. Oktober 2023 sogar auf 9000 stark erhöht, ein Drittel davon sind Juden.

Am Ende des Turniers gab es ein großes Abschlussfoto mit allen Teams. Jede Mitspielerin und jeder Mitspieler durften sich über eine eigene Medaille freuen. Gelacht wurde viel. Im Endklassement blieb das Evangelische Jugendwerk in Württemberg (EJW), vor allem im Ultimate Frisbee überlegen, mit 18 Punkten und 39:12 Toren ungeschlagen. Zweiter wurde IGBW (15 Punkte, 47:15 Tore), Dritter das muslimische Team des FC Stuttgart-Cannstatt (12 Punkte, 31:27 Tore).

„Großartig so eine Vertrauensebene“

„Großartig, mit den Menschen, die hier waren, so eine Vertrauensebene zu finden, all die Begegnungen – wo gibt’s denn so was!“ freute sich EJW-Mannschaftskapitän Yasin Adigüzel, „eine schöne große Netzwerkchance.“ Noch mehr Wirkung von außen aus der Öffentlichkeit sei allerdings sehr wünschenswert. Noch ein weiteres Turnier? „Das würde ich begrüßen. Ich wäre im Team dabei, und ich würde Philipp Geißler nochmal unterstützen.“

Ein positives Fazit zog auch Sonja Rupp, die interreligiöse Beauftragte der Katholischen Kirche: „Hier geschieht eine Art von Dialog, die unkompliziert ist. Man tut was zusammen, und die Religion steht zunächst mal nicht im Vordergrund.“

Auch die neuen Gastgeber vom FC Stuttgart-Cannstatt wirkten am Schluss äußerst zufrieden. „Wir haben nicht lange entschieden, das hier zu verantworten. Wenn man die Möglichkeit hat, sollte man es organisieren“, versicherte Ali Baykan, der sportliche Leiter: „Wir wären bereit, es in ein oder zwei Jahren nochmal zu machen.“ Am Verpflegungsstand hatten Frauen aus dem Verein leckere muslimische Spezialitäten angeboten.

Werte über den Fußballplatz hinaus

Ömer Aytan, der Kapitän der Gastgeber-Mannschaft, freute sich derweil, dass es gelungen war, diesmal mehr Familien mit Kindern auf dem Sportgelände dabei zu haben. Seiner Familie liegt es nach seinen Worten ohnehin am Herzen, dass seine beiden kleinen Töchter mit Werten wie gesellschaftlichem Engagement aufwachsen. Die Kids konnten sich während der Spiele in einer Hüpfburg und im Spielmobil des WSLB/WSJ austoben. Aytans Idee für ein weiteres Turnier: „Man könnte die Teams auch durchmischen: In jeder Mannschaft Spieler von jeder Konfession.“

Schon in seinem Grußwort hatte Abdullah Simsek, 2. Vorsitzender des FC Stuttgart-Cannstatt, deutlich gemacht: „Wir als Fußballverein wollen ein echtes Zeichen setzen, was Sport bewegen kann. Unser Verein steht für viel mehr als Fußball: Wenn es auf dem Fußballplatz funktioniert, kann es auch in der Gesellschaft funktionieren.“ Trotz des schwierigen politischen Umfelds. So ging ein Tag zu Ende, der dank berührender Worte und Gesten wirklich Zeichen gesetzt und viel Hoffnung gemacht hat auf ein wachsendes Verständnis zwischen den Religionen. In gegenseitiger Wertschätzung, wie es Philipp Geißler ausdrückte: „Ich bin so dankbar für diesen schönen Tag.“ Muhittin Soylu brachte es wunderbar auf den Punkt: „Wir werden an einem Sonntag hier nicht gleich die Welt verändern können – aber auch die großen Dinge fangen im Kleinen an.“

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